„Après moi le déluge! [Nach mir die Sintflut!] ist der Wahlruf jedes Kapitalisten und jeder Kapitalistennation.“
(K.Marx: Band I., MEW 23, S.285)
Herbst 2008: Die Commerzbank wird vom deutschen Staat in einer Nacht-und Nebel-Aktion geschlossen. Alle Einlagen unter 100.000.- Euro werden zur Deutschen Bank transferiert, alle darüber in eine „Bad Bank“, die abgewickelt wird. Voraussichtlicher Verlust für die Betroffenen: 40 – 80% der Einlagensumme. Die Schwankungsbreite der zu erwartenden Verluste ist enorm, die Unsicherheit groß, viele Betroffene werden erst in Jahren das Ausmaß des Schadens erfahren. Alle Einlagen der Deutschen Bank, sofern über 100.000.- Euro, werden an der Erhöhung ihrer Eigenkapitalquote auf 9% beteiligt. Auch hier ist der Verlust nicht kalkulierbar, er wird wohl irgendwo zwischen 20 und 30% der Einlagensumme liegen. Gesamtergebnis: Hunderttausende in- und ausländische Kunden werden von einem Tag auf den anderen enteignet.
Wäre eine derartige Vorgangsweise in Deutschland denkbar gewesen? Gibt es irgendeinen Staat in der westlichen Welt, der die Einlagen zur Sanierung einer Bank heranziehen würde? Würde eine politische Partei es wagen so zu verfahren? Und was hätte sie bei den nächsten Wahlen zu erwarten? Antwort: Kein demokratischer, westlicher Staat, keine politische Partei könnte so verfahren ohne ihre Existenz zu gefährden. Die Bürger würden in Scharen protestieren, ihr Geld beheben und die Verhältnisse destabiliseren. Woraus zu schließen ist: Die EU ist kein westlicher Staat, sie ist nicht demokratisch, sie hat sich für ihre Vorgangsweise nicht zu rechtfertigen und hat keine Konsequenzen zu erwarten. Woraus ferner zu schließen ist: die EU ist ein Projekt, wo die Mehrheit einem einzelnen Staat ihren Willen aufzwingt.
Nur: was ist der Wille der Mehrheit? Er ist aller Rettungs-Rhetorik zum Trotz: Nicht für die Schulden anderer einstehen zu müssen. Was heißt: das eigene Haus zu löschen, wenn es brennt, aber nicht das Nachbarhaus. Wenn alle nur für ihre eigenen Verhältnisse haften wollen, und nicht für die der anderen, dann wird die Mehrheit immer entscheiden: den betroffenen Staat im Regen stehen zu lassen. Das ist die EU, ein Staatenbund mit starkem Eigeninteresse der einzelnen Staaten. „Nach und neben mir die Sintflut“ schreit die Mehrheit und lässt das Nachbarhaus abbrennen, eins um das andere, bis das Feuer an seine eigene Tür dringt. Der demokratische Wille des einzelnen Staates verformt sich im Staatenbund zum totalitären Willen der Mehrheit, der durch das Eigeninteresse getragen wird.
Der bürgerliche Verstand weiß nur in seinen eigenen vier Wänden zu leben. Hilfe für andere gibt es nur eines erwarteten Gewinns wegen oder um den Preis der Unterwerfung. Nichts anderes besagt der Artikel 123 AEUV, wonach der „unmittelbare Erwerb von Schuldtiteln von [Mitgliedstaaten] durch die Europäische Zentralbank“ verboten ist. Hilfe darf es für sich genommen nicht geben, findet sie doch statt, muss sie durch eine Rosskur des betroffenen Staates erkauft werden. Die EU ist, eben weil unter kapitalistischen Bedingungen geformt, kein Friedens- sondern ein Kriegsprojekt. Sie unterwirft den Mitgliedsstaat durch von außen aufgezwungene Maßnahmen, vor denen sich ein einzelner und für sich allein agierender Staat hüten würde. Den bürgerlichen Verstand in einen Staatenbund zu stecken, heißt: Feuer zu entfachen, heißt: aus Demokratie totalitäre Verhältnisse gebären, heißt: den Krieg mit anderen Mitteln fortsetzen.
Nur ein Narr glaubt, dass der Verstand wandelbar sei. Er ist und bleibt: partikular und egoistisch. In seiner demokratischen Form erhalten kann ihn nur das Ende der Union.